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  1. Das wöchentliche Arthropoden-Bulletin/

Metamorphose

·4 min
Patrick

Mitten im bunten Treiben des Lebens auf unserem Planeten ist die Fähigkeit zur Veränderung eines der faszinierendsten Phänomene. Manchmal ist sie ein mutiger Schritt, manchmal schlichtweg notwendig. Sie bietet nicht nur die Möglichkeit, sich anzupassen, sondern auch sich vollkommen neu zu erfinden. Unter den vielen Wesen, die unsere Erde bevölkern, gibt es einige, deren Leben von tiefgreifenden Verwandlungen geprägt ist. Ich, Flora, das Tagpfauenauge, möchte euch von meiner Reise erzählen — eine Geschichte der verschiedenen Phasen meiner Existenz.

Mein Weg begann verborgen, auf der Unterseite eines Blattes, in einem winzigen, grünen Ei, das mit mehreren feinen Längsrippen verziert war. Ich lag, in dieser Form, mit über einhundert meiner Geschwister auf einer Pflanze, die sorgsam von unserer Mutter ausgewählt wurde: sonnig oder halbschattig, luftfeucht und windgeschützt. Manchmal entscheiden sich mehrere Mütter, ihre Hoffnungen auf dasselbe Blatt zu setzen — dann kann es schnell etwas eng werden.

Nach zwei bis drei Wochen der gespannten Erwartung, in denen meine Welt nicht größer als ein Millimeter war, brach ich als Raupe in die Realität durch. Ich hatte nicht wirklich Zeit, die Welt um mich herum zu bestaunen, denn von Anfang an ging es nur ums Überleben. Meine Haut war noch dünn und sie schimmerte weiß-grünlich. Ich bildete mit meinen Geschwistern eine Gemeinschaft, die durch das Leben im Gespinst verbunden war. Dieses Gespinst war unser erstes Bollwerk gegen die lauernden Gefahren. Leider hatte ich trotzdem oft Angst. Ich hatte schreckliche Geschichten gehört — etwa von der Schwarzen Schlupfwespe, die für uns Schmetterlinge in jedem unserer Stadien sehr gefährlich ist. Eine alltägliche Bedrohung stellen auch eifrige Ameisenkolonien dar, die unsere Kokons aufspüren und sie gnadenlos zerstören, um an die begehrte Nahrung zu gelangen. Diese unersättlichen Insekten können ganze Populationen von Raupen dezimieren, bevor sie überhaupt die Chance haben, sich zu verpuppen. Und von oben stellen räuberische Vögel wie die Blaumeise oder der Grünspecht eine ständige Bedrohung dar: Ihre scharfen Augen und schnellen Schnäbel machen sie zu gefürchteten Jägern in unseren Lebensräumen. Oft mussten meine Geschwister und ich uns in den dunkelsten Ecken verstecken und hoffen, unentdeckt zu bleiben.

Nahrung war für mich nur selten ein Genuss, stattdessen ein Akt der unermüdlichen Hingabe, denn Raupe müssen unglaubliche Mengen zu sich nehmen, um sich für ihre weitere Entwicklung vorzubereiten. Mit jeder Häutung, die schon nach wenigen Tagen der gemeinschaftlichen Anstrengung begann, ließ ich eine Version meiner selbst hinter mir. Vier Häutungen habe ich insgesamt durchgemacht und nach jeder sah ich etwas anders aus. Unser Gespinst wurde zu einem graubraunen Kokon, der die Pflanze, die uns nährte, überzog. Nach drei bis vier Wochen des Wachsens, der Veränderungen und der Wanderungen auf der Suche nach neuem Futter, erreichte ich meine endgültige Raupenform: tiefschwarz und mit markanten weißen Punkten.

Dies läutete bereits die nächste Phase meiner Existenz ein. Ich suchte mir einen vertrockneten Stängel, um mich zu verpuppen — die eigentliche Metamorphose begann. Das Spinnen einiger weißer Fäden schuf mir eine praktische Unterlage; daran haftete ich mich fest. Meine Puppenhülle, zuerst ein lebhaftes Grün, verwandelte sich in Braun, geschmückt mit zwei Reihen glänzender Dornen und metallfarbenen Flecken. In dieser Stille, gefangen zwischen den Welten, wartete ich. Die Zeit kam mir so lange vor, dass ich am Ende gar nicht mehr wusste, wer „ich“ eigentlich bin. Denn eine Puppe zersetzt sich selbst und löst sich, bis auf wenige Zellen, vollständig auf. Nur dieser „Fast-Tod“ ermöglicht die Metamorphose. Die Zeit begann sich zu dehnen und zu verdrehen, jeder Moment wurde zu einer Ewigkeit, in der ich mich zunehmend von meiner vorherigen Existenz entfremdete. Gedanken verwischten zu einem diffusen Nebel, jede Erinnerung an mein früheres Dasein wurde von einem Gefühl der Unbestimmtheit und des Nichtseins überlagert. Als das Warten ein Ende hatte und die Zeit endlich reif war, enthüllte die leicht durchsichtige Hülle immer eindeutiger die Zeichnung meiner Form. Mit Anstrengung befreite ich mich von dieser letzten Beschränkung und trat als Tagpfauenauge ans Licht. Meine Flügel, zunächst schlaff, füllten sich mit Blut und Luft, bis sie stark genug waren, mich schließlich in mein neues Leben zu tragen.

Diese Reise vom Versteck zur Enthüllung, vom Unscheinbaren zum Schönen, ist die Geschichte, die mich geformt hat. Manche Schmetterlingsarten gehen bereits als Raupen in die Vollen, sie sind bunt, faszinierend, andersartig — wie etwa die Raupe des auffälligen Braunen Bürstenspinners. Mein Weg war etwas bescheidener, doch vielleicht verbirgt gerade diese Bescheidenheit das Potenzial für eine erstaunliche Entwicklung. Mir ist bewusst, dass so manche Hobby-Gärtner es bevorzugen würden, keine Raupen in ihren Gärten zu haben, aber wer ein hübsches, flatterndes Tagpfauenauge möchte, der muss damit vorlieb nehmen.

Ich hoffe, dass ich zeigen konnte, wie wichtig Veränderungen sind, auch wenn sie Angst und Unsicherheit hervorrufen. Der Schritt ins Unbekannte verlangt Mut. Doch die Entscheidung aufzubrechen ist oft der einzige Weg, um wirklich zu wachsen.